1.9.2023 – Die Gesundheit des Versicherten hatte sich gebessert, die Pensionsversicherung verwehrte deshalb mit Bescheid vom September 2015 den weiteren Bezug der Berufsunfähigkeitspension und forderte Geld zurück. Mit der Rückforderung hatte sie vor Gericht keinen Erfolg. Vor dem OGH warfare letztlich noch strittig, ob dem Versicherten noch für einen bestimmten Zeitraum nach Erlass des Bescheids Bezüge zustanden. Die Gerichte verneinten das, und der OGH hatte daran nichts zu korrigieren. Er stellte für den vorliegenden Fall unter anderem fest, es genüge, wenn eine wesentliche Besserung in dem Bereich eintritt, der ursprünglich zum (völligen) Ausschluss vom Arbeitsmarkt geführt hat; detaillierte Feststellungen zu anderen Bereichen seien nicht nötig.
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R. ist 1978 geboren. Ab 1. März 1998 wurde ihm wiederholt eine befristete Berufsunfähigkeitspension zuerkannt. Mit Bescheid vom 18. März 2002 wurde ihm eine solche ab 1. November 2001 unbefristet gewährt.
Im September 2015 entzog ihm die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die BU-Pension rückwirkend mit Ablauf des April 2007. Sie verpflichtete ihn, den von 1. Mai 2007 bis 31. August 2015 entstandenen Überbezug zurückzuzahlen. Dagegen ging R. rechtlich vor.
Das Erstgericht entschied in einem Teilurteil: R. ist nicht zum Rückersatz der BU-Pension verpflichtet, die er von Mai 2007 bis August 2015 bezogen hat, und die PVA muss ihm auch für die Zeit von 31. August 2015 bis 31. Mai 2016 die BU-Pension gewähren.
So weit, so intestine für R. Sein Mehrbegehren, die BU-Pension über Mai 2016 hinaus zugestanden zu bekommen, wies das Gericht hingegen ab. So ging der Fall weiter zum Berufungsgericht. Dieses gab aber weder der Berufung Folge noch ließ es die Revision zu.
Hat R. Anspruch auf eine BU-Pension über Mai 2016 hinaus?
R. wandte sich dennoch – mittels außerordentlicher Revision – an den Obersten Gerichtshof (OGH). Der referierte zunächst die ständige Rechtsprechung: Der Entzug einer laufenden Leistung nach § 99 Abs. 1 ASVG setzt eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen voraus; für diesen Vergleich sind die Verhältnisse bei Leistungszuerkennung mit jenen bei Leistungsentzug in Beziehung zu setzen.
„Bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit besteht eine wesentliche Änderung etwa in der Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands des Versicherten oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an die Leiden“, erklärt der OGH.
Wenn die Arbeitsfähigkeit dadurch so weit wiederhergestellt wird, dass der Bezieher „nicht mehr als (invalid oder) berufsunfähig gilt und auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar ist, ist die Entziehung der Leistung sachlich gerechtfertigt.
Nicht gerechtfertigt sei ein Entzug dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Leistungsvoraussetzungen von Anfang an gefehlt haben und sich die Verhältnisse nicht geändert haben. „In diesem Fall steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung entgegen […].“
„Leistungskalkül“ vs. „Gesamtleistungskalkül“
Erforderlich seien additionally zunächst Feststellungen zum tatsächlichen Zustand („Leistungskalkül“) R.s bei Gewährungsentscheidung. Entgegen R.s Ansicht lägen diese vor: R. habe bei Gewährung der BU-Pension an einer Borderline-Störung gelitten, deretwegen er nicht arbeitsfähig warfare.
Wenn das Berufungsgericht davon ausgehe, dass dies das Ausmaß seiner Arbeitsfähigkeit – additionally sein Leistungskalkül – ausreichend abbilde, so bedürfe dies keiner Korrektur im Einzelfall.
Des von R. vermissten, alle möglichen Aspekte umfassenden „Gesamtleistungskalküls“ bedürfe es in der vorliegenden Konstellation nicht. Es genüge nämlich, „wenn eine wesentliche Besserung in dem Bereich eintritt, der ursprünglich zum (völligen) Ausschluss vom Arbeitsmarkt geführt hat“.
Der Umfang der Feststellung gesundheitlicher Veränderungen
Im Rahmen der Prüfung nach § 99 Abs. 1 ASVG komme es nicht darauf an, ob in anderen, für die Leistungsgewährung nicht relevanten Bereichen seither allenfalls Verschlechterungen eingetreten sind, solange die Arbeitsfähigkeit insgesamt wiedererlangt wurde. Daher seien detaillierte Feststellungen zu diesen Bereichen im Anlassfall nicht notwendig.
Dass R. mittlerweile nicht mehr als berufsunfähig anzusehen ist, „weil sich die Ausprägung der Borderline-Störung […] mittlerweile so weit gebessert hat, dass er seit 19. Mai 2016 in der Lage ist, […] leichte bis mittelschwere Arbeiten vor allem ohne besondere psychische Belastungen und ganzzeitig besonderen Zeitdruck auszuüben, […]“, werde in der Revision „zu Recht nicht in Frage gestellt“.
Keine erhebliche Rechtsfrage
Richtig sei, dass nach § 236 Abs. 4 Z 3 ASVG (Wartezeit) die notwendigen (sechs) Versicherungsmonate nicht innerhalb einer bestimmten Rahmenfrist liegen müssen.
„Es magazine auch sein, dass diese Wartezeit beim Kläger erfüllt warfare bzw. ist“, so der OGH. „Warum die ‚ewige Anwartschaft‘ einer Entziehung der Leistung nach § 99 Abs. 1 ASVG entgegenstehen soll, legt der Kläger nicht nachvollziehbar dar.“
Aus dem Gesetz lasse sich auch nicht ableiten, dass die Erfüllung der Wartezeit nach dieser Bestimmung den Pensionsanspruch auch dann wahren soll, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 271 Abs. 1 ASVG (Anspruch auf BU-Pension) nicht mehr vorliegen.
Der OGH wies die außerordentliche Revision letzten Endes zurück: R. habe keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nach § 502 Abs. 1 ZPO geltend gemacht.
Die Entscheidung im Volltext
Die OGH-Entscheidung 10ObS27/23b vom 24. Juli 2023 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.